MASCHINEN- UND ANLAGENBAU
Case Study: Strategischer Turnaround im Maschinen- und Anlagenbau unter extremen Wechselkursbedingungen – erfolgreiche Produktionsverlagerung bei gleichzeitiger Zusammenarbeit mit Betriebsrat und Gewerkschaft
Im Jahr 2004 traf eine plötzliche und drastische Wechselkursveränderung ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich Automatisierungssysteme für die Halbleiterindustrie mit voller Wucht. Das Unternehmen, dessen europäischer Geschäftsbereich sich auf Entwicklung und Fertigung hochpräziser Robotersysteme für Reinraumanwendungen spezialisiert hatte, erlitt innerhalb weniger Monate einen massiven wirtschaftlichen Einbruch.
Das Geschäftsmodell war traditionell global ausgerichtet: Die Produktionskosten fielen in Europa an – in Euro –, während die Kunden der Halbleiterindustrie weltweit fast ausschließlich in US-Dollar beliefert wurden. Über Jahre hinweg funktionierte dieses Modell gut. Doch Anfang 2004 rutschte der US-Dollar innerhalb kürzester Zeit dramatisch gegenüber dem Euro ab. Für ein Unternehmen, das seine Produkte auf Euro-Kostenbasis herstellte, aber in US-Dollar fakturierte, bedeutete dies: Die vormals solide Bruttomarge von 35 % war plötzlich aufgebraucht und ging gegen 0.. Es blieb keine Zeit für finanz-mechanische Absicherungsstrategien oder langfristige Gegenmaßnahmen. Die Situation erforderte sofortiges, entschlossenes Handeln.
In meiner Rolle als CEO EMEA verantwortete ich die Entwicklung und Umsetzung eines umfassenden Restrukturierungsprogramms. Die zentrale Maßnahme bestand in der vollständigen Verlagerung der Fertigung aus Deutschland in kostengünstigere Regionen: Taiwan, Osteuropa und die USA. Eine solche Entscheidung hat tiefgreifende Auswirkungen – wirtschaftlich, operativ, kulturell und juristisch. Besonders anspruchsvoll war die Arbeit mit den Betriebsräten, Gewerkschaftsvertretern, Fachanwälten und Behörden, um diesen Schritt sozialverträglich und rechtlich korrekt zu gestalten.
Die Situation verlangte ein Höchstmaß an Verhandlungsgeschick, Transparenz, Kommunikationsstärke und Fingerspitzengefühl. In intensiven Gesprächen mit Arbeitnehmervertretungen musste nicht nur über Personalabbau und Standortschließungen gesprochen, sondern auch Vertrauen aufgebaut werden – trotz der tiefgreifenden Veränderungen. Es ging darum, alle Beteiligten ernst zu nehmen, ehrlich zu kommunizieren und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln. Unterstützt durch erfahrene Arbeitsrechtsexperten konnten belastbare Interessenausgleiche und Sozialpläne verhandelt und umgesetzt werden.
Parallel dazu galt es, die technische Umsetzung der Verlagerung in mehreren internationalen Märkten zu realisieren – bei laufendem Betrieb. Produktionslinien mussten demontiert, neu aufgebaut, qualifiziert und in neue Lieferketten integriert werden, ohne dass bestehende Kunden – darunter Tier-1-Zulieferer und führende Hersteller in der Automobil- und Consumer-Electronics-Industrie – Lieferrisiken erlebten. Gleichzeitig wurde die europäische Einheit strategisch neu aufgestellt: weg von der Produktion, hin zu einem fokussierten Vertriebs- und Servicestandort mit klarer Kundenschnittstelle.
Bereits zwei Jahre nach Projektstart zeigten sich die Erfolge dieser tiefgreifenden Transformation. Die Produktionskosten pro Einheit sanken um über 30 %, was zu einer Kostenersparnis von rund 30 Millionen Euro im Jahr 2006 führte. Noch im selben Jahr war die Region wieder profitabel – mit einem Betriebsergebnis von 20 Millionen Euro.
Diese Fallstudie zeigt, wie durch strategische Klarheit, entschlossene Führung und gleichzeitig menschliches Augenmaß selbst unter extremem äußeren Druck ein erfolgreicher Turnaround gelingen kann – im Maschinen- und Anlagenbau, in einem hochregulierten Markt, unter engen rechtlichen Rahmenbedingungen und mit vollem Respekt gegenüber allen Stakeholdern.