FÜHRUNGS- & KULTURWANDEL

In meinen Führungskräfteprogrammen beginne ich gern mit einer scheinbar einfachen Frage: „Sind Sie ein guter Mitarbeiter?“.*

Die Antworten sind oft kreativ – aber nur selten richtig.
Die korrekte Antwort sollte lauten: „Ja, ich bin ein guter Mitarbeiter, weil ich die Anforderungen meines Vorgesetzten erfülle.

Damit beginnt jede professionelle Führung: mit der Klärung der Erwartungen.

Was erwartet meine Führungskraft von mir? Was erwarte ich von meiner Führungskraft? Was wird von mir als Führungskraft von meinen Mitarbeitern erwartet.

Führung beginnt mit Erwartungsklarheit – und scheitert oft daran

Für eine gute Zusammenarbeit ist die Klärung der Erwartungen unerlässlich. Was soll erreicht werden – und auf welche Weise? Was ist guter Beitrag, was nicht?

Wer das nicht regelmäßig kommuniziert, überlässt die Interpretation dem Bauchgefühl – und öffnet die Tür für Missverständnisse, Frustration und Demotivation.

Ich erinnere mich an eine Szene auf einer Konferenz in London. Vor etwa 500 C-Level-Führungskräften stellte der Redner zwei einfache Fragen.

Die erste:
„Wer von Ihnen empfindet sich selbst als gute oder sehr gute Führungskraft?“
Etwa 500 Hände schnellten in die Luft. Lachen. Geraune. Selbstbewusstsein.

Dann die zweite Frage:
„Und wer von Ihnen fühlt sich von seinem eigenen Vorgesetzten gut oder sehr gut geführt?“
Stille. Vereinzeltes, verlegenes Lachen. Vielleicht 25 Hände heben sich zögerlich. Man wechselt vielsagende Blicke.

Die Pointe ist klar – und unbequem:
Alle führen. Aber kaum jemand fühlt sich geführt.
Und genau da beginnt der Kulturwandel – nicht bei den anderen, sondern bei sich selbst.

Was erwartet die Organisation – und was erwarten unsere Stakeholder?

Diese Logik lässt sich konsequent weiterdenken. Wenn ein Mitarbeiter gut ist, weil er die Erwartungen seiner Führung erfüllt, dann ist auch ein Unternehmen nur dann gut, wenn es die Erwartungen seiner Stakeholder erfüllt.

„Wir sind eine gute Firma, weil wir die Anforderungen unserer Stakeholder erfüllen.“

Und genau hier beginnt der kulturelle Wandel: mit der Klarheit, worauf es wirklich ankommt – und mit der Art, wie Erwartungen definiert, kommuniziert und gelebt werden.

Führung ist Verhaltenssteuerung – nicht Zielverkündung

Wenn Erwartungen unklar bleiben oder Führung inkonsequent ist, entsteht Orientierungslosigkeit.
Ich arbeite deshalb mit einer Führungsdefinition, die in Krisensituationen ebenso funktioniert wie im Alltag:

„Führung ist die Aufgabe, das Verhalten von Mitarbeitern sozial akzeptabel zu beeinflussen.“

Nicht kontrollieren, nicht motivieren, nicht inspirieren – sondern Verhalten beeinflussen. Klar, respektvoll, konsequent.

Wer das ernst nimmt, muss zwei Dinge jederzeit kommunizieren:
Das Was – also die Ziele. Und das Wie – also die Erwartungen an Verhalten und Haltung.
Wenn eines von beiden fehlt oder verschwimmt, entstehen Missverständnisse, Enttäuschungen und Frustration.

Am deutlichsten zeigt sich das im Umgang mit Zielvereinbarungen. Ich erlebe immer wieder Jahresgespräche, bei denen Mitarbeiter und Führungskraft zwölf Monate später ratlos vor einer Liste sitzen, deren Inhalte längst überholt sind. Die Hälfte der Ziele wurde nach vier Wochen obsolet, die andere Hälfte nie nachgehalten. Beide Seiten versuchen dann, sich gegenseitig irgendwie durch die Bewertung zu lavieren – mit der Folge, dass die Glaubwürdigkeit der Führung leidet und kein Lerneffekt entsteht.

Feedback ist das Werkzeug – nicht der Bonus

Gute Führung zeigt sich nicht im Zielgespräch, sondern im Alltag.
Feedback ist das wichtigste Führungsinstrument – und zwar kontinuierlich, verhaltensorientiert, direkt.
Dabei geht es nicht um pauschales Lob oder Kritik, sondern um klare Rückmeldung zu beobachtbarem Verhalten:
Was war hilfreich? Was muss sich ändern? Was erwarte ich stattdessen?

Feedback muss zeitnah kommen, konkret, ehrlich – und frei von Bewertung der Person.
Ich unterscheide bewusst zwischen symbolischer Führungskommunikation (etwa dem „Grüßaugust-Gemba“) und echter Führung, die sich zeigt, wenn etwas nicht funktioniert.
Denn auch kritisches Feedback schafft Vertrauen – wenn es fair, klar und konsequent erfolgt.

Kultur ist das, was wirklich gelebt wird

Wenn wir über Kulturwandel sprechen, müssen wir erst klären: Was ist Unternehmenskultur überhaupt?

Ich orientiere mich dabei an der Definition von Edgar Schein, die für mich auch nach 30 Jahren Praxis die treffendste ist:
„Unternehmenskultur ist die Summe der inoffiziellen Verhaltensmuster, die neuen Mitgliedern von älteren Mitgliedern einer Organisation vermittelt werden.“

Das bedeutet:

Nicht der Geschäftsführer bestimmt die Kultur – sondern der Schwarm, die Mitarbeiter des Unternehmens.
Es sind nicht die Plakate an der Wand, sondern das, was „alle wissen“, was sich durchzieht, was funktioniert – und was sich niemand traut, offen zu benennen.
Wenn Kultur also ein kollektives Verhalten ist, dann muss Kulturwandel auch kollektiv beeinflusst werden.
Nicht über Change-Slogans, sondern über echtes Verhalten: durch Führung, durch Vorleben, durch Konsequenz.

Fazit: Wer führen will, muss Kultur gestalten – und Klarheit schaffen

Führungs- und Kulturwandel ist kein Soft-Thema.
Er ist das Fundament erfolgreicher Veränderung.
Er beginnt mit Klarheit über Erwartungen, setzt sich fort in der Steuerung von Verhalten – und wirkt durch konsequente Kommunikation im Alltag.
Kultur verändert sich nicht über Zeit – sondern über Führung.


* Thomas Hochgeschurtz beginnt seine Seminare seit vielen Jahren mit dieser Frage. Ich habe sie von ihm übernommen.





 
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