TURNAROUND- & KRISENMANAGEMENT
In der Krise zählt nicht das Idealbild – sondern das Überleben
Krisen sind keine Phasen der Optimierung, sondern Momente des Überlebens.
Sie fordern Unternehmen heraus, sich radikal zu fokussieren: auf das, was wirklich zählt.
In einer Turnaround-Situation verändert sich alles: die Wahrnehmung, die Prioritäten, der Umgangston. Was gestern noch galt, wird heute in Frage gestellt. Und was morgen notwendig ist, wirkt heute oft wie ein Tabubruch. Wer hier bestehen will, braucht keine Schönwettermethoden, sondern ein belastbares Krisensystem.
In meiner Arbeit verstehe ich Krisenmanagement nicht als Feuerwehrarbeit, sondern als gezielte Strukturierung von Überlebensfähigkeit. Es geht darum, das System Unternehmen auf ein Minimum an vitalen Funktionen zu konzentrieren – genau wie ein Körper, der in Gefahr den Blutfluss zu den lebenswichtigen Organen priorisiert und alles andere herunterfährt.
Dieses Denken führt zur entscheidenden Führungsfrage:
Nicht: Was ist wichtig? Sondern: Was können und müssen wir jetzt unterbrechen, damit wir überleben?
Der erste Schritt: Klarheit über die echte Lage
Viele Unternehmen unterschätzen die Dynamik von Krisen. Sie hoffen, verhandeln, verschieben – und verlieren Zeit. Doch in der Krise ist Zeit der knappste Rohstoff. Deshalb beginne ich jede Turnaround-Phase mit einer radikalen Bestandsaufnahme: Liquidität, Zahlungsfähigkeit, Kundenreaktionen, operative Leistungsfähigkeit, personelle Stabilität.
➡️ Die Stakeholder Value Analyse liefert dabei die entscheidenden Hinweise: Wo brechen Beziehungen ein? Wer zweifelt bereits? Welche Gruppen sind bereit, mitzugehen – und welche haben innerlich bereits gekündigt?
In dieser Phase zählt nicht das Zielbild. Es zählt der Handlungsspielraum. Und der entsteht nur durch präzise Analyse, mutige Entscheidungen und konsequente Umsetzung.
Kommunikation als Überlebensfaktor
In der Krise genügt es nicht, zu handeln – man muss erklären, warum man handelt. Das Management steht unter Beobachtung: von Mitarbeitenden, Kunden, Banken, Eigentümern, Betriebsräten, Medien. Jede Handlung erzeugt Bedeutung. Jedes Zögern hat Folgen.
Ein zentrales Element meiner Arbeit ist deshalb die Kommunikation – nicht als PR, sondern als Instrument zur Steuerung von Vertrauen und Orientierung. Ich arbeite mit klaren Taktgebern, mit Formaten, die Rückmeldung ermöglichen, und mit Sprache, die nicht beschönigt, sondern erklärt.
Der Insel-Ansatz nach Hanspeter Zürcher ist dabei essenziell: In einer unsicheren Lage brauchen Menschen erreichbare Etappen. Wer schwimmen soll, ohne Land in Sicht, braucht Inseln – greifbare Zwischenziele, an denen Fortschritt sichtbar wird. Diese Inseln baue ich systematisch ein – operativ, taktisch und kommunikativ.
Das Entscheidende: Tempo, Disziplin, Führung
Turnaround-Management lebt nicht von Ideen, sondern von Disziplin. Es braucht einen klaren Plan, tägliche Fortschrittskontrolle, persönliche Präsenz und eine Führung, die ansprechbar ist – aber unmissverständlich. Ich begleite diese Phasen nicht aus dem Hintergrund, sondern mitten im System: in der Werkhalle, im Betriebsratstermin, im Bankengespräch, im Krisenstab.
Die Führungsaufgabe in der Krise ist nicht Motivation, sondern Struktur. Sie besteht darin, Entscheidungen zu treffen, Orientierung zu geben und das Team durch Phasen von Schmerz, Unsicherheit und Widerspruch zu begleiten.
Wer führen will, muss Haltung zeigen – besonders, wenn die Lage unübersichtlich ist.
Fazit: Der Turnaround beginnt nicht mit Rettung – sondern mit Klarheit
Turnaround- und Krisenmanagement ist die härteste Form von Führung. Es geht nicht darum, Recht zu behalten, sondern handlungsfähig zu bleiben.
Es beginnt mit radikaler Bestandsaufnahme, führt über mutige Entscheidungen und endet – im besten Fall – mit einem erneuerten Unternehmen, das nicht nur überlebt hat, sondern wieder gestalten kann.
Krisen sind kein Betriebsunfall. Sie sind der ultimative Realitätstest für Führung.